„Workation: Die beste Erfindung, seit es Arbeit gibt“, sagt New-Work-Expertin Nadine Nobile. Das sei ihr Fazit nach drei Jahren regelmäßiger Arbeitsaufenthalte im Ausland. Workation ist eine Kombination der englischen Begriffe „Work“ (Arbeit) und „Vacation“ (Ferien). Dahinter steckt die Idee, das Homeoffice an einen Urlaubsort zu verlegen. Bei Beschäftigten wird das zwar immer beliebter, von Unternehmen aber noch nicht oft angeboten.
Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage, die das ifo Institut im Auftrag von Randstad vergangenes Jahr veröffentlichte. Adressaten waren Personalverantwortliche deutscher Organisationen. Aus der Befragung ging hervor, dass Workation erst in 8 Prozent der Unternehmen zum Angebot gehört. Dabei könnte sich das Konzept, außerhalb der eigenen vier Wände remote zu arbeiten, durchaus zu einem Trend entwickeln. Davon geht die ADAC Tourismusstudie 2023 aus: „Betrachtet man die Gruppe der Berufstätigen, bei denen Workation prinzipiell möglich wäre, so zeigen zwei Drittel Interesse.“
Dementsprechend spielt das Arbeitsmodell im Kampf gegen den Fachkräftemangel eine immer größere Rolle. „Das ist einer der wichtigsten Gründe, warum HR-Abteilungen allmählich offener dafür werden“, erklärt Uwe Michaelis, Geschäftsführer von Whatever.Works. Die Plattform unterstützt Organisationen dabei, Workation rechtssicher zu managen. „Arbeitgebende möchten ihre Attraktivität erhöhen und bezwecken damit zwei Dinge: Zum einen wollen sie neue Talente finden, zum anderen – und das ist ein mindestens genauso wichtiger Hebel – bestehende Mitarbeitende halten.“ Demnach gehe es um Attraction und Retention.
Rechtliche Herausforderungen von Workation
So weit, so vorteilhaft. Allerdings sind mit Workation auch Herausforderungen verbunden. Die meisten drehen sich um Arbeitsrecht, Sozialversicherung, Steuerrecht und die vielleicht spannendste Frage: Wie lange dürfen Workations dauern? „Bisher ist das pro Land nicht festgelegt“, weiß Michaelis. „Einigen Best Practices zufolge können wir jedoch davon ausgehen, dass Arbeitnehmende der Europäischen Union, die dort Workation machen wollen, mit jährlich 40 Tagen auf der sicheren Seite sind.“ Und daran orientierten sich die meisten Unternehmen. Zwar kursierten auch 183 Tage, doch diese Zahl stamme aus dem Steuerrecht, das man nicht isoliert betrachten dürfe. Wer zu einer Workation jenseits der EU startet, sollte vorher prüfen, ob er ein zusätzliches Business-Visum beantragen oder sonstige Registrierungspflichten erfüllen muss.
Klingt umständlich? Ist aber wichtig, genauso wie der Umstand, dass bei einem Auslandsaufenthalt für Arbeitnehmende sowohl das Arbeitsrecht des Heimat- als auch das des Ziellandes gilt. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Dienstreise oder Workation handelt. Der Unterschied: Die eine fällt unter die sogenannten Entsendungen, die andere ist privat motiviert. Außerdem kommt es darauf an, „dass Beschäftigte ihren Lebensmittelpunkt und ihren Arbeitsvertrag in Deutschland haben“, erläutert Michaelis.
„Im Ausland sollten Mitglieder der Geschäftsführung keine Verträge signieren. Sonst riskieren sie, dort eine Betriebsstätte zu gründen.“
– Uwe Michaelis, Geschäftsführer von Whatever.Works
Somit habe das deutsche Arbeitsrecht weiterhin Gültigkeit, während das des Ziellandes nicht komplett außen vor bleibe. Durch ein konkretes Beispiel wird das Ganze greifbarer: Arbeiten dürfen Beschäftigte an Feiertagen weder im Heimat- noch im Ausland. „Allerdings besteht kein Anrecht auf zusätzliche Feiertage zum Beispiel in Spanien.“ Aus diesem Grund müssten dafür Überstunden abgebaut oder Urlaubstage beantragt werden.
Und was gilt es bei der Sozialversicherung zu berücksichtigen? Das sei in der EU relativ einfach geregelt, so Michaelis. Damit Arbeitgebende und -nehmende im Ausland keine Beiträge abführen müssten, brauche es vor allem eine A1-Bescheinigung. „Diese versichert den Verbleib in der deutschen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung“, schreibt unter anderem auch Omer Dotou im Buch „Workation – Arbeiten, wo andere Urlaub machen“.
Besondere Fallstricke beim Steuerrecht
Auf mehr Fallstricke muss dagegen beim Steuerrecht geachtet werden. Wer in einer Workation im Ausland nicht riskieren will, eine Betriebsstätte zu gründen und Steuern zu bezahlen, sollte an Folgendes denken: zeitliche Befristung, Lebensmittelpunkt und Arbeitsvertrag in Deutschland sowie – ganz wichtig – keine kritischen Tätigkeiten. „Damit ist beispielsweise gemeint, dass Mitglieder der Geschäftsführung keine Verträge signieren“, erklärt der Experte von Whatever.Works. Um Konflikte mit der Steuerbehörde zu vermeiden, käme es zudem auf die Frequenz an. „Denn eine gewisse Regelmäßigkeit widerspricht dem Charakter einer Workation.“
Obwohl dieses Arbeitsmodell komplexer ist, als es zunächst den Anschein hat, lohnt es sich für Unternehmen und Beschäftigte. Letztere müssen natürlich die Rahmenbedingungen kennen und einhalten. Dazu gehört, wie es im Juristendeutsch etwas sperrig heißt, Arbeitsfähigkeit herzustellen – also über gutes WLAN zu verfügen, Deadlines nicht zu verbummeln und in den Arbeitszeiten erreichbar zu sein. Ob für Workations Reiseziele mit großem Zeitunterschied infrage kommen, sollte man sich daher zweimal überlegen.
Vorteile für Mitarbeitende und Unternehmen
Nach gründlicher Vorbereitung können Arbeitnehmende aber sämtliche Vorteile einer Workation genießen. Mit die größten Antriebe sind, die Work-Life-Balance zu verbessern, die Sprachkenntnisse zu erweitern und Sightseeing nach Feierabend, das alles am besten bei schönem Wetter. Dotou und seine Co-Autorinnen betonen noch den gesundheitlichen Aspekt. „Eine Workation kann zur Entschleunigung beitragen und damit das Risiko für Erschöpfungssyndrome wie Burnout senken.“
Davon profitieren auch Unternehmen, was deren rechtliche Herausforderungen akzeptabler machen könnte. Wobei es die ebenso im Leadership-Bereich gibt. Ob sich die Beschäftigten im Homeoffice oder in Workation befinden: Um auf Distanz zu führen, bedarf es „einer klaren, effizienten und regelmäßigen Kommunikation“, sagt Stefan Homeister, Leadership-Experte und Gründer der Leitwolf Academy, die Führungskräfte-Trainings veranstaltet. Außerdem gelte es, Rollen und Verantwortlichkeiten genau zu definieren sowie eine starke Teamkultur zu fördern.
Ein Aufwand, den künftig immer mehr Unternehmen in Kauf nehmen dürften, um sich im War for Talents zu behaupten. In der PwC-Studie „Workation zwischen Wunsch und Wirklichkeit 2024“ heißt es: 30 Prozent der Beschäftigten würden ein Stellenangebot ausschlagen, wenn das jeweilige Unternehmen keine Möglichkeit zur Workation böte. Bei den 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 45 Prozent. Neben der Generation Z wird dieses Arbeitsmodell auch von den reiselustigen Millennials als echter Benefit betrachtet.